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Adam von Bodenstein wieder ins Matrikel der Medizinischen Fakultät aufgenommen

medF

Am 27. Januar 1564 ist der Publizist Paracelsischer Schriften Adam von Bodenstein aufgrund seiner medizinischen Ansichten aus der Fakultät ausgeschlossen worden. Um auf dieses Unrecht aufmerksam zu machen, nimmt die Medizinische Fakultät von Bodenstein genau 460 Jahre später symbolisch wieder in das Matrikel auf.

Die Geschichte, die hiermit zu einem Abschluss kommt, beginnt mit Theophrastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, der 1527 als Professor nach Basel kam und nur ein Jahr später unter anderem wegen seiner damals als ketzerisch erachtet medizinischen Theorien fliehen musste. Adam von Bodenstein hatte Paracelsus’ Theorien in Basel publiziert und wurde deshalb ebenfalls aus der Fakultät vertrieben. Im Ausschliessungsdekret heisst es, er habe ohne Wissen der Fakultät "ettliche Bücher so der rechten [und] wa[h]ren Medizin zuwider in truck oncensiert ussgon lossen und hiermit sich der Teophrastischen falschen leer anhengig gmacht." (1)

Diese "rechte und wahre Medizin" bestand im Wesentlichen aus der gelehrten Reflexion spätantiker und hochmittelalterlicher Autoren – die Behandlung der Patienten und Patientinnen wurde den Wundärzten überlassen. Die Paracelsische Lehre war zwar ebenfalls ein Kind ihrer Zeit, propagierte aber die eigene direkt Anschauung und öffnete damit das Tor für eine wissenschaftliche Pharmazie und Medizin, wie wir sie heute kennen. Von Bodensteins Publikationstätigkeit war für diesen Impuls von grosser Bedeutung.

Von Bodenstein etablierte die Lehre von Paracelsus als erster in Basel, übersetzte mehrere seiner Schriften ins Lateinische oder ins Deutsche und gab 1574 ein Onomasticon, eine Frühform eines Glossars der paracelsischen Kernbegriffe in Basel heraus. Daneben hat von Bodenstein eigene Beiträge verfasst und publiziert, etwa das „Consilium philosophicum“ von 1576, in dem er ein von ihm entdecktes Heilmittel gegen die Pest vorstellt. Von Bodenstein vertrat die Spagyrik, eine auf paracelischen Prinzipien beruhende Form der Arzneimittelzubereitung. Diese stellt er in seiner „Epistola ad Fuggeros pro asserenda alchemia“ vor.

Paracelsus wurde 1993 von der Regierung des Kantons Basel Stadt feierlich rehabilitiert. Ein Haftbefehl gegen ihn von 1528 wurde symbolisch aufgehoben. Für Adam von Bodenstein aber wurde nichts Vergleichbares unternommen. Wie auch Paracelsus ist nun auch von Bodenstein durch Wiederaufnahme ins Matrikel symbolisch rehabilitiert.

Die Wiederaufnahme erfolgt trotz des Umstandes, dass Adam von Bodenstein im Auftrag Calvins seinen Professorenkollegen Sebastian Castellio als Ketzer und Polygamist denunziert hat, weil dieser es gewagt hatte, sich gegen die Hinrichtung von Ketzern auszusprechen. Aufgrund seiner Schriften gehört Castellio zu den geistigen Vätern des europäischen Toleranzgedankens, er starb, bevor ihm der Prozess gemacht werden konnte (2).

Dieser Teil Adam von Bodensteins ist bei der Entscheidung der Medizinischen Fakultät sorgfältig berücksichtigt worden. Die Fakultät sah sich veranlasst, eine Haltung einzunehmen, die sowohl die Fakultät bei ihrem Ausschluss als auch von Bodenstein bei seiner Anklage haben vermissen lassen: eine Haltung, die einen Menschen nicht leichtfertig verwirft. Das Vorbild hierfür ist Sebastian Castellio selbst, der grosse Anwalt des heute noch visionären Gedankens, einen Menschen in seiner ganzen Breite und Weite zu erkennen und ihn gerade deshalb nicht wegen einer einzelnen Haltung oder Tat vollständig zu verwerfen:«Denn dies ist gewiss, je besser einer die Wahrheit kennt, desto weniger neigt er dazu, die anderen zu verdammen. Wer nämlich die andern leichthin verdammt, offenbart gerade dadurch, dass er nichts weiss, da er den anderen nicht zu ertragen weiss.»

 

(1) Zit. nach Albrecht Burckhardt, Geschichte der Medizinischen Fakultät zu Basel 1460–1900, Basel 1917, S. 57
(2) Zu Sebastian Castellio: Uwe Plath, Castellios Selbstverständnis in seiner Auseinandersetzung mit Calvin, Basel 2021
(3) Sebastian Castellio, Brief an Herzog Christoph, in: Das Manifest der Toleranz. Sebastian Castellio. Über Ketzer und ob man sie verfolgen soll, übers. v. Werner Stingl, hg. v. Wolfgang F. Stammer, Essen 2013, S. 69

Siehe auch den Beitrag von Prof. em. Dr. Otmar Gratzl im UB Basel Blog.